OHNE GERBUNG KEIN LEDER

Wann Chrom schädlich ist und was man unter einer vegetabilen Gerbung versteht. Unsere Gedanken zu einem emotional aufgeladenen Thema. Ist Chrom besser als sein Ruf? Und: Ist eine pflanzliche Gerbung immer nachhaltig?

UNSERE LEDER

Jede Entscheidung, die wir für CEDOUBLÉ treffen, ist wohlüberlegt, verantwortungsbewusst mit Fokus auf Nachhaltigkeit in allen Bereichen und passt zu unserem Preiskonzept. Daher scheuen wir uns auch nicht, die so naheliegende wie verständliche Frage nach der Herkunft und Produktion unserer Leder zu beantworten. 

Für unsere Schuhe beziehen unsere Hersteller Leder von hochmodernen, europäischen Gerbereien, welche über langjährige Erfahrung in diesem Handwerk verfügen und ausschließlich mit der höchsten dreier Medaillenzertifizierungen der Leather Working Group, der Gold-Zertifizierung, ausgezeichnet sind. Die Leather Working Group (LWG) ist eine Non-Profit-Organisation, deren Bestreben es ist, stetige Verbesserungen und Transparenz in der globalen Lederherstellungsindustrie entlang der gesamten Lieferkette voranzutreiben. Die Gold-Zertifizierung erhält, wer sich direkt vor Ort über mehrere Tage einer Prüfung unterzieht und sich hierbei in Bezug auf das Einhalten ökologischer Standards vorbildlich zeigt. Zu diesen ökologischen Standards zählen der sparsame Verbrauch von Wasser und Energie, die korrekte Abfall- und Abwasserentsorgung, das Einhalten von Grenzwerten hinsichtlich der Lärm- und Luftemissionen, die lückenlose Rückverfolgbarkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette, die Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter*innen sowie der gesetzeskonforme Umgang mit Chemikalien und regulierten Substanzen.

Über die Begutachtung durch die LWG hinaus arbeiten einige der Gerbereien auch mit privaten Beratungsfirmen im Bereich Umwelt zusammen und unterziehen sich so regelmäßig zusätzlich einem freiwilligen Audit. Last but not least: Alle von uns verwendeten Leder werden mit Produkten veredelt, die auf Wasser basieren und lösungsmittelfrei sind.

GERBUNG IST DIE HAU(P)TSACHE

Der wichtigste Schritt im Prozess der Lederherstellung ist die Gerbung, denn Gerbstoffe sorgen dafür, dass Tierhaut haltbar wird. Sie vernetzen und fixieren die Eiweißfasern, sodass Fäulnis oder Verhärtung verhindert werden. Bei den Gerbarten unterscheidet man zwischen der Chromgerbung, der Pflanzengerbung sowie der synthetischen Gerbung. Da wir selbst häufig insbesondere nach der Chrom- und Pflanzengerbung gefragt werden, widmen wir uns im Folgenden diesen beiden Gerbarten.

 


Gestapelte Lederrollen in braun

CHROM IST NICHT GLEICH CHROM

Chrom ist ein in der Natur vorkommendes Metall und die Chromgerbung die noch immer häufigste Form des Gerbens (ca. 90% der Gerbungen weltweit erfolgen mit Chromsalzen). Diese ist, sofern korrekt (!) durchgeführt, harmloser als weitverbreitet angenommen. Hier eine kleine Erläuterung zu einem Thema, dem wir uns als Schuhlabel in der heutigen Zeit weder entziehen können noch wollen. Denn immer wieder stellen wir fest, dass mit dem Wort Chrom einige Annahmen und Befürchtungen verknüpft sind und wollen diese gern etwas einordnen.

So ist das zur Gerbung verwendete Chrom-III (dreiwertiges Chrom) grundsätzlich erst einmal gesundheitlich unbedenklich und kommt als essenzielles Spurenelement sogar in einigen Lebensmitteln vor. Die Schädlichkeit von Chrom hängt jedoch von dessen Oxidationsstufe ab. Bei unsachgemäßer Handhabung entlang der kompletten Kette von der Herstellung über die Lagerung bis hin zum Lebensende des Produkts kann Chrom-III zu sechswertigen Chrom-Verbindungen reagieren. Und genau das gilt es zu vermeiden, da diese Umwelt und Wasser schaden sowie zu Hautreizungen oder allergischen Reaktionen führen können. Laut der EU-Chemikalienverordnung REACH dürfen Ledererzeugnisse, die mit der Haut in Berührung kommen, einen Chrom-VI-Gehalt von 3 ppm (ppm = Teile von einer Million) des gesamten Trockengewichts des Leders nicht überschreiten. Die gute Neuigkeit ist: Wie die Entstehung von Chrom-VI-Verbindungen vermieden werden kann, ist mittlerweile bestens erforscht. Des Weiteren gibt es Chromgerbstoffe, die versehen sind mit Additiven, welche einer Chrom-VI-Entstehung gezielt entgegenwirken.

Und die im Gerbprozess natürlicherweise entstehenden Chrom-III-haltigen Abwässer müssen selbstverständlich vorschriftsgemäß aufbereitet und entsorgt werden, weil diese umweltgefährdend sind. Da unsere Hersteller ausschließlich mit Gerbereien zusammenarbeiten, welche mit der Gold-Zertifizierung der Leather Working Group ausgezeichnet sind, ist eine ordnungsgemäße Aufbereitung und Entsorgung der Abwässer gewährleistet. 

VEGETABILE GERBUNG

Alternativ zu chromgegerbten Ledern kann auf chromfreie, pflanzlich gegerbte Leder (oft auch als vegetabil gegerbte Leder, Bio- oder Naturleder bezeichnet) zurückgegriffen werden. Aus Hölzern, Rinden, Blättern, Wurzeln und Früchten kann ein Sud, die sogenannte Gerberbrühe, hergestellt und zum Haltbarmachen der Tierhaut eingesetzt werden.

Vorteilhaft sind hierbei die gute Hautverträglichkeit (für Chrom-Allergiker geeignet) sowie die biologische Abbaubarkeit.

Diese Art der Gerbung birgt jedoch auch ein paar Nachteile, die für Konsumentinnen und Konsumenten je nach persönlicher Präferenz vielleicht mehr oder minder schwer ins Gewicht fallen. Erworbenes Wissen gepaart mit unserer persönlichen Erfahrung ergeben hierzu folgende ganz individuelle Denkanstöße bzw. vielleicht eine Hilfestellung zur Meinungsbildung:
  • Rein vegetabil gegerbtes Leder ist häufig dicker, schwerer (es absorbiert eine große Menge der Gerbstoffe) und weniger reißfest (weil spröder) als chromgegerbtes Leder – durch eine Kombinations- bzw. Mischgerbung mit Chrom-III kann jedoch eine verbesserte Geschmeidigkeit erreicht werden. Als pflanzlich gegerbt bezeichnetes Leder wurde folglich nicht immer ausschließlich pflanzlich gegerbt, wenn es nicht ausdrücklich auch als chromfrei (FOC) deklariert wird. Zudem: Nicht für alle Schuhtypen eignet sich unserer Ansicht nach vegetabil gegerbtes Leder, welches auch in der Optik eher rustikal anmutet (und daher z.B. für Sättel, Stuhlbespannungen, Aktentaschen, Gürtel und hochwertige Lederlaufsohlen verwendet wird). Aufgrund der fehlenden Oberflächenversiegelung bleiben auch kleine, normale Imperfektionen im Leder sichtbarer, z.B. Narben von Insektenstichen oder Verletzungen, die sich das Tier im Laufe seines Lebens zugezogen hat. Von uns selbst und anderen kennen wir hier allerdings einen gewissen Anspruch auf Perfektion, weswegen selbst unauffällige Makel nicht gern gesehen werden. Dies ist insofern verständlich, als dass man gutes Geld für gute Ware bezahlt hat. Allerdings gilt natürlich bei pflanzlich gegerbtem Leder folgender Disclaimer noch deutlicher: Leder ist ein Naturprodukt. Um Reklamationen vorzubeugen, erfolgt bei vegetabil gegerbten Ledern in der Regel eine recht strenge Kontrolle und „mangelhaftes“ Leder bzw. solches mit optischen Beeinträchtigungen wird aussortiert. Ein Grund von vielen, warum pflanzlich gegerbtes Leder deutlich teurer ist als chromgegerbtes Leder, dessen Erscheinungsbild durch eine Oberflächenversiegelung besser zu kontrollieren und „aufzuhübschen“ ist.

  • Hinsichtlich der Einfärbung bietet vegetabil gegerbtes Leder ein eingeschränktes Spektrum an Möglichkeiten, sodass viele tolle Farbtöne nicht realisiert und Trends umgesetzt werden können. Auch nimmt es Farbstoffe nicht immer gleichmäßig an, ist weniger farbbeständig als chromgegerbtes Leder und dunkelt in der Regel durch Lichteinfall, Feuchtigkeit und Einfettung nach (dies führt zu einer sogenannten Patina, welche man z.B. von den Vachetta-Lederbestandteilen der Louis Vuitton Taschen kennt). Trocknet vegetabil gegerbtes Leder aus, wird es heller.

  • Die Aufbewahrung, Reinigung und Pflege dieser Lederart sind also eine Herausforderung, da Licht die Farbgebung verändert und Feuchtigkeit irreversible Flecken hervorruft. Man denke hier an plötzlich einsetzenden Regen, Transpiration an den Füßen im Sommer oder auch nur den Einsatz von Wasser zu Reinigungszwecken. Andersherum können nicht beschichtete Naturleder auch schneller abfärben (insbesondere im feuchten Zustand), da sie offenporig sind und Farbpigmente schlechter halten als chromgegerbte Leder. Am besten pflegt man pflanzlich gegerbte Leder mit Lederfett. Dies hält sie geschmeidig, hat eine imprägnierende Wirkung und kann helfen, dass Wasserflecken etwas weniger sichtbar werden (vollständig entfernen lassen sich diese von vegetabil gegerbtem Leder nämlich nicht), da das Lederprodukt im Ganzen dunkler wird. Doch nicht nur Endverbraucher*innen benötigen Verständnis für die Beschaffenheit vegetabil gegerbter Lederprodukte, auch Händler*innen sollten ihre Ware so lagern und präsentieren, dass diese möglichst vor Licht geschützt sind.

  • Das vegetabile Gerbverfahren ist arbeitsintensiv, erfordert ein hohes Maß an Kompetenz und dauert für eine wirklich rein pflanzliche Gerbung ohne jegliches Chrom oder synthetische Gerbstoffe mehrere Monate während die Chromgerbung mit nur 1-2 Tagen deutlich schneller ist. Für den Prozess werden zudem mehr Energie und Wasser sowie eine hohe Menge an Gerbstoffen benötigt (pro Kuhhaut z.B. ca. 20 kg Früchte oder ca. 90 kg Eichenholz). Einige gerbstoffhaltige Pflanzen müssen viele Jahrzehnte lang wachsen, bis eine ausreichende Menge Gerbstoff produziert wird. Im Sinne der Nachhaltigkeit sollte man also auch bei der pflanzlichen Gerbung auf die Herkunft der Gerbstoffe achten, da viele davon kein ausreichendes Aufkommen haben, um den Bedarf der weltweiten Lederproduktion zu decken.
Zusammenfassend kann aus unserer Perspektive gesagt werden, dass eine verantwortungsvoll durchgeführte Chrom-Gerbung nicht verteufelt und eine Pflanzengerbung nicht bedingungslos glorifiziert werden sollte. Aus unserem Erfahrungsschatz und der umfangreichen Recherche, die wir nochmals für diesen Artikel angestrengt haben, nehmen wir mit, dass eine differenzierte Betrachtungsweise sinnvoll ist. Aktuell ist die chrombasierte Gerbung für uns die geeignete Alternative, da wir nur so sehr haltbare, unkompliziert lagerbare sowie gut pflegbare Produkte auf den Markt bringen können, die lange Freude machen.

Wir können euch jedoch versichern, dass wir uns auch in Zukunft informieren und nach anderen umweltverträglichen Materialien Ausschau halten werden. Aber: Vegetabil gegerbtes Leder allein aus marketingrelevanten Gründen zu verwenden, davon halten wir nichts. Teilt gern eure Gedanken zu diesem Thema mit uns, wir freuen uns über Feedback, Denkanstöße und auch ein wenig Input zum Beispiel zur Preisgestaltung bzw. Zahlungsbereitschaft – Wärt ihr bereit, für FOC vegetabil gegerbte Lederprodukte etwas tiefer in die Tasche zu greifen?

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